Die schönsten Ausstellungen im September | WELTKUNST

2023-03-23 15:00:18 By : Ms. Betty Bai

Der Spätsommer hält ganz besondere Kunstausstellungen bereit! Von John C. Webers Kimono-Sammlung im Metropolitan Museum über die virtuose Meisterin des Erzählens Keren Cytter in Aachen bis zum Dialog zwischen El Greco und Picasso im Kunstmuseum Basel

Von Tim Ackermann 30.08.2022 / Erschienen in WELTKUNST Nr. 203

Mit verlängerten Gliedmaßen und gekünstelten Posen bedachte der Maler El Greco seine Figuren. So etwa in der „Büßenden Magdalena“ (um 1580/1585) oder der berühmten „Auferstehung Christi“ (1597–1600). Beide Bilder gehören zu einer Auswahl feiner El-Greco-Werke, die nun in Dialog mit dem Œuvre Pablo Picassos treten. Man sieht so, wie die merkwürdigen Figurenproportionen des Manieristen in der Formensprache des Modernen ihre beständige Renaissance erfuhren – nicht nur in der Blauen Periode, sondern auch im Kubismus und im Alterswerk.

Heinrich Schliemann war gewandt im Umgang mit dem Mythos – dem griechischen wie dem eigenen: Einen im Jahr 1841 erlittenen Schiffbruch schilderte er in drei dramatisch gesteigerten Versionen, wie die Berliner Ausstellung kritisch vorführt. Aber auch an würdigenden Texten sparen die Kuratoren nicht, da der Archäologe dank seiner minutiösen Lektüre von Homers „Ilias“ 1871 Troja entdeckte. Besonders betören natürlich Schliemanns Funde wie das in Mykene ausgegrabene Ornamentblech aus Gold aus dem 16. Jh. v. Chr.

„Bad Words“ hat Keren Cytter ihre große Einzelausstellung im Ludwig Forum betitelt. Dabei ist die 1977 in Tel Aviv geborene Künstlerin doch eine virtuose Meisterin des Erzählens – und das quer durch alle erdenklichen Genres. Mit blauem Filzstift öffnet sie in detaillierten Zeichnungen Fenster in ihr privates Wohnzimmer („Monkey 2“, 2021) oder skizziert komplexe Beziehungskisten zwischen einer Patientin, ihrem Ehemann und ihrem Doktor („General Structure“, 2020). Daneben verbinden sich Fantasieskulpturen aus Perlenketten, Videoarbeiten voller Filmreferenzen oder auch ein Kinderbuch über den Selbstfindungsprozess eines Eichhörnchens im urbanen Dschungel zu einem Labyrinth höchst kurioser Geschichten.

Hinter dieser Schau steht ein Versprechen: Zahlreiche Kimonos will der Sammler John C. Weber dem Metropolitan Museum schenken, mehr als 60 der traditionellen japanischen Gewänder aus seinem Besitz sind jetzt im Haus an der Fifth Avenue, New York, neben japanischer Kunst und Kunsthandwerk zu bewundern. Die Kimonos signalisierten mit subtilen Hinweisen in Motiven und Materialien den sozialen Status der jeweiligen Trägerin. Das oben abgebildete zartgrüne Sommerkleid (hito-e), das eine Kutsche des Hofes und eine Szene am Wasser zeigt, wurde in der modisch eher streng limitierten Edo-Periode im frühen 19. Jahrhundert für eine Dame aus der herrschenden Tokugawa-Shogun-Familie geschaffen.

In einem frühen Animationsfilm ließ Jordan Wolfson schon mal Cola-Flaschen herumspazieren, aber leichte Kost ist seine Kunst schon lange nicht mehr: Gleich zu Beginn seiner Schau lauert die rote Horrorfratze seines „House with Face“ (2017) dem Publikum auf. Erschreckender ist sein Video „Real Violence“ (2017), in dem der Künstler eine täuschend echt animierte Männerpuppe mit einem Baseballschläger zu Tode prügelt. Im Obergeschoss tanzt dann ein trauriges Roboter-Go-go-Girl vor einem Spiegel. Unvorbereitete Ausstellungsgäste mögen diese Werke verstören – doch sind sie momentan wohl der radikalste künstlerische Kommentar zum Gesellschaftsproblem der toxischen Männlichkeit.

Goldenes Abendlicht flutet über die Gipfel der Amalfiküste und die Bucht von Salerno: Mit Werken wie seiner „Ansicht der Stadt Vietri“ von 1819 zupft der Romantiker Joseph Rebell heftig am Herzmuskel aller Italiensehnsüchtigen. Der gebürtige Wiener lebte selbst ab 1810 erst zwei Jahre in Mailand und später länger in Neapel und Rom. Seine Landschaftsbilder weckten auch in Kaiser Franz I. das Fernweh, sodass er vier Neapelansichten orderte und den Maler 1824 zum Museumsleiter im Oberen Belvedere in Wien machte. Die erste Einzelausstellung Rebells überhaupt umfasst jetzt rund 70 Gemälde und 40 Zeichnungen. Mehr Spätsommergefühl geht nicht!

Der französische Künstler JR begann als Sprayer, heute stellt er seine Street Art in Museen aus. Die Kunsthalle München zeichnet seine Reise von den Pariser Vororten in die Welt nach

Das Museum Folkwang in Essen feiert mit einer Expressionistenausstellung sein Jubiläum. Überhaupt ist das Ruhrgebiet reich an guten Museen – für diese fünf Ausstellungen lohnt sich ein Besuch im Pott aktuell besonders

Wie Vittore Carpaccio christliche Legenden in das Venedig der Renaissance transportierte

Mit der Ausstellung „Uprising“ entsteht im Schloss Görne im Havelland ein Dialog zwischen der bröckelnden Architektur, der geschützten Natur und den äußerst vielfältigen Werken

Begleiten Sie unsere Chefredakteurin durch ihre Woche mit der Kunst. Immer freitags erwartet Sie ein ganz persönlicher Blick unserer Kunstexpertin auf ihre Wochenhighlights.

Von kolonialer Handwerkskunst über amerikanisches Silber bis hin zu einem von Gilbert Stuart geschaffenen Gemälde mit dem Porträt George Washingtons reichte die Sparte der „Important Americana“-Auktion von Christie’s, New York, am 20. Januar. Als Spitzenlos erwies sich ein nicht zugeschriebenes Ölgemälde aus dem frühen 19. Jahrhundert. Das Doppelporträt zeigt zwei ähnlich gekleidete Mädchen in vertrauter Pose, eines weiß, eines schwarz, von denen das eine eine Blume sowie das andere ein Gesangsbuch mit der Aufschrift „Cinderella“ in der Händen hält. Das Gemälde ging für 750.000 Dollar in den Besitz des Londoner Händlers Philip Mould über.

Am 22. März versteigert Beurret & Bailly / Galerie Widmer in Basel eine „Sammlung von Werken Félix Vallottons“. Unter Landschaften, Stillleben und einer Aktdarstellung finden sich auch Beispiele für Vallottons Porträtkunst, die in der gelegentlich brüsken Detailversessenheit dem Naturalismus eines Courbet nahestehen und auch Tendenzen der Neuen Sachlichkeit vorwegnehmen. Vallotton inszenierte die „Frau in rosa Bluse“ aus dem Jahr 1910 vor einer grün getünchten Wand. Sie ist im strengen Profil nach links gegeben und zeigt außer dem dunklen Ton des Inkarnats ausnahmsweise keine Besonderheit der Physiognomie; dafür gesteht man ihr mit 60.000 Franken die höchste Bewertung in dieser Gruppe zu.

Das ganz große Geld muss man nicht mitbringen, um am 24. und 25. März bei Venator & Hanstein in Köln mitzubieten. Nur für ein gutes halbes Dutzend der Lose werden mehr als 10.000 Euro erwartet. Die „Histoire naturelle“ des Naturforschers Georges-Louis Leclerc Comte de Buffon wollte natürlich naturwissenschaftlich ernst genommen werden. Aber von den 1120 meist kolorierten Kupferstichen schweifen manche doch ins Fantastische ab. Beispielsweise wenn eine Riesenkrake sich um einen Dreimaster schlingt. Für „Le Pouple Colossal“ erwartet das Auktionshaus eine Taxe von 9000 Euro.